Quartiermeister – warum engagiert sich eine Marke im Wahlkampf?

Letztens hatten wir eine Anfrage im E-Mailpostfach, die ich in alter Gewohnheit erst mal abgesagt habe. Die (von mir sehr geschätzte) Biermarke Quartiermeister wollte, dass wir ihr Engagement rund um das Thema Bundestagswahl 2021 aufnehmen. Ich habe geantwortet, dass ich Wählen zwar super wichtig finde, aber lieber ohne eine Marke im Vordergrund darauf aufmerksam mache. Außerdem beschäftigt mich immer wieder das Thema des „guten Gewissens“ bei Kaufentscheidungen: Wie sehr sollten wir die Endkonsument:innen in die Verantwortung für ihren Konsum nehmen? Dazu steht hier schon einiges. Annika von Quartiermeister hat mir dann geantwortet und wir sind ins Diskutieren gekommen. So habe ich Annika gefragt, ob wir uns nicht auf ein Bier treffen und diskutieren wollen – und ich das, was wir so besprechen, unserer werten Leseschaft zukommen lassen kann. Und genau so ist es dann geschehen 🙂

Ganz kurz – über Quartiermeister

Um das Ganze besser einschätzen zu können, werfen wir einen schnellen Blick auf die Marke Quartiermeister. Das Unternehmen ist ein Social Business und setzt sich für eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft ein. Quartiermeister spendet 10 Cent pro verkauftem Liter an gemeinnützige Organisationen aus der Verkaufsregion. Jeder Mensch kann online über die Website von Quartiermeister mitbestimmen, an welche Projekte die Gelder fließen. Außerdem ist die Marke nicht nur eine GmbH, sondern ist einem Verein entsprungen, den es noch immer gibt. Jede:r kann Mitglied werden. Es könnte noch viel mehr gesagt werden, ihr könnt es aber auch einfach hier nachlesen, wenn ihr tiefer einsteigen wollt.

Bislang das einzige alkoholfreie Bier von Quartiermeister. Ich sag’s euch: ist echt gut!

Wahlwerbung, wie kam es dazu?

Wie kommt man also als Unternehmen dazu, Wahlwerbung – statt für das eigene Produkt – zu machen? Tatsächlich handelt es sich bei dieser Kampagne um die erste Out Of Home Kampagne, die Quartiermeister je gemacht hat. Die Marke versteht sich als super politisch. Natürlich sind sie selbst von politischen Entscheidungen betroffen – Social Businesses wird es zum Beispiel gar nicht mal so leicht gemacht. Unsere Wirtschaft ist auf Wachstum „um jeden Preis“ ausgelegt und nicht dafür, ein möglichst vertretbares oder gar soziales Produkt auf den Markt zu bringen. De facto haben solche Unternehmen, die ihre Produkte möglichst ökologisch und sozial sinnvoll herstellen und vertreiben, einen Wettbewerbsnachteil, weil ihnen dadurch höhere Kosten entstehen als solchen Unternehmen, die billig um jeden Preis produzieren. Da ist also – auch auf politischer Ebene – noch einiges zu tun. Und auch abgesehen davon, finden Annika und ihre Kolleg:innen, dass Demokratie eine so kostbare Sache ist und alle wählen sollten, auch wenn wohl keine Partei perfekt ist. Die Kampagne der Quartiermeister*innen hat neben der Mobilisierung zur Wahl am 26. September noch ein zweites Anliegen: Bewusstsein dafür schaffen, dass jede Kaufentscheidung auch ein Statement ist. Denn jede (Kauf-)Entscheidung hat Konsequenzen und entscheidet langfristig darüber, welche Produkte und Unternehmen langfristig Erfolg am Markt haben. Deshalb ist es auch so wichtig, dass die nachhaltigeren Produkte nicht immer teurer sind, als ihre konventionellen Konkurrenten. Annika sagt: „Unsere Kassenzettel sind unsere Stimmzettel des Alltags“. Ich glaube: Klar, die Macht des Einzelnen darf man nie unterschätzen – aber die Politik darf sich auch nicht dahinter verstecken, dass die Leute ja sinnvoller einkaufen könnten.

Foto: Quartiermeister

Finanzierung der Kampagne

Ganz wichtig ist, dass die Kampagne komplett eigenständig ist. Sie verfolgt kein klares Parteiziel – einige Parteien diskreditieren sich natürlich durch ihr Wahlprogramm, aber das müssen die Wähler:innen am Ende ja selber wissen, wo sie ihr Kreuz machen. Auf dem Instagram-Kanal wird das Thema Wahl sehr umfassend aufbereitet. Man könnte fast meinen, die Wahl sei das Kerngeschäft von Quartiermeister. Es ist sogar schon eine Partei zwecks „zusammenarbeiten“ auf Quartiermeister zugegangen, das haben sie aber abgelehnt. Es ist ihnen ganz wichtig, eigenständig zu sein und komplett unabhängig. Wichtig!

Wen wählt man denn, wenn man im Sinne der Nachhaltigkeit wählen will?

Es macht Sinn, sich selber zu überlegen, welche Punkte besonders wichtig sind. Ist es der Klimaschutz? Dass grade armen Kindern und Familien geholfen wird? Will ich, dass Reiche besteuert werden? Wie wichtig erscheint mir das Lieferkettengesetz und wer kann es am ehesten verbessern? Wie lange will ich noch eine Genderdebatte führen? Will ich, dass die Politiker:innen sich ihr Gehalt mit sogenannten Nebenverdiensten ordentlich aufstocken? Welche Zukunft wünsche ich mir für meine Kinder? Mit all diesen Punkten und Überlegungen, kann man sich die Wahlprogramme ansehen, Veranstaltungen wie das Triell verfolgen, zu Reden von Politiker:innen gehen, mit Freund:innen und Familie sprechen. Ich komme zu einer ganz klaren Route, ich finde die meisten Parteien absolut unwählbar und auch wenn ich keine Partei so richtig und 100% super finde, finde ich, dass eigentlich nur zwei überhaupt in Frage kommen. Annika sieht das ganz ähnlich. So hoffen wir, dass viele Menschen sich noch mal überlegen, wo sie ihr Kreuz machen.

Quartiermeister – Social Business mit Alkohol

Und ist es nicht ein Widerspruch in sich, etwas Gutes tun zu wollen und zu diesem Zweck ausgerechnet Alkohol zu verkaufen? Die Volksdroge Nummer eins, es gibt so viele Suchtkranke und Alkoholtote. Dazu sagt Annika, dass die Marke ja nicht zum Saufen aufruft, sondern zu verantwortungsvollem Genuss. Alkohol wird sowieso getrunken, war, dann dabei nicht etwas Gutes tun. Quartiermeister stellt eine soziale Alternative zu den Mainstream-Bieren dar, die von riesigen Konzernen vertrieben werden. Bevor die Leute Sterni, Beck’s und Co trinken, sollen sie doch lieber „nebenbei“ für Spenden in ihrer Region sorgen. Außerdem werden die Biere in unabhängigen, kleinen Brauereien gebraut und das Handwerk der Brauer somit unterstützt. Einige Projekte fallen durch den Alkoholbezug aber natürlich aus dem Förderprogramm heraus. Quartiermeister kann nicht gut einen Verein für Suchtkranke supporten oder einen Kindergarten. Dafür braucht es ähnliche Ideen mit anderen Produkten – feel free!!

Das ganze Quartiermeister-Sortiment. (Wobei – es gibt noch ein Weizen, aber das gibt’s in Berlin nicht… andere Geschichte…)

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