Werder Bremen – ich liebe dich, aber ich hasse dich auch

Egal wo du auch spielst, sind wir mit dabei. Unsere Fahnen wehen nur für Grün und Weiß. Die Kurve singt für dich, egal was auch passiert – ob du Meister wirst, oder heute hier verlierst. SVW Allez, Allez Allez Allez, SVW Allez, SVW Allez Allez.

Ich bin Fußballfan, ich bin Werderfan. Großer Werderfan. Aber ich bin auch Öko und versuche Dinge besser – damit meine ich grüner, sozialer, fairer… – zu machen. Heute wurde bekannt gegeben, dass mein geliebter Verein den Vertrag mit dem ständig für Skandale sorgenden Unternehmen „Wiesenhof“ verlängert hat. Als „Wiesenhof“ vor zwei Jahren zum Trikotsponsor wurde, konnte ich es kaum fassen. Hat Werder Bremen nicht auch ein Projekt, das sich „Werder bewegt“ nennt und auch die Rubrik „Werder bewegt umweltbewusst“ beinhaltet? Hat Werder Bremen nicht das Stadion mit Photovoltaik ausgestattet und die Intention geäußert, wirklich der grünste Verein der Liga zu werden? Was also soll das? Gut, da gibt es wohl einen schwierigen Vertrag mit dem Vermarkter aus der Vergangenheit, man muss zusehen, dass sich die Sponsoren untereinander akzeptieren (Renault und VW hätten sich beispielsweise nicht gut vertragen.) Gut, man ist in einer sportlichen und wirtschaftlichen Lage, in der man sich die sponsoringfreie Brust nicht einfach leisten kann. So habe ich Werder Bremen diesen Sponsor zugestanden, in gewisser Hinsicht. Ich habe aufgepasst, keine Fotos zu posten, auf denen Wiesenhof erkennbar ist. Ich habe hier und da die Augen verschlossen oder mich in wahnwitzige Kneipendiskussionen gestürzt. Und ich habe gesagt: Es darf kein zweites Wiesenhof geben. Keine Vertragsverlängerung. Ihr habt jetzt zwei Jahre Zeit, einen für Werder passenden Sponsor zu finden. Einen, der zu Werder Bremen und dem angestrebten Image passt. Chance vertan. Ob sie es überhaupt versucht haben weiß ich nicht. Es liest sich nicht so. Was der Werder Fanclub, Fischmob Berlin, in dem ich Mitglied bin, immerhin hinbekommen hat: Das Trikot zu überflocken. So steht auf unseren Trikots immerhin nicht mehr Wiesenhof, sondern Fischmob. Das sind sie, die Freuden des kleinen Menschen.

Was denn an Wiesenhof so schlimm ist? Kurz: Alles! Ich kann an Massentierhaltung nichts gutes finden. Dieser Bericht aus der ARD Mediathek zeigt, warum. Weitergehend kann man auch einfach mal „Wiesenhof“ in eine Suchmaschine eingeben – da findet man wenig erfreuliches.

anna_werdertattoo

Heute früh hat ein Bekannter von mir (ein klasse Typ, und zwar nicht NUR wegen seines Micoud-Tattoos…) direkt seinen Brief veröffentlicht, in dem er dem Verein seinen Austritt erklärt. Ich habe dem Verein heute auch meinen Austritt erklärt, ein bisschen anders als Steffen. Aber lest selbst:

 

Sport-Verein „Werder“ von 1899 e. V.
Herr Klaus-Dieter Fischer
Franz-Böhmert-Straße 1c
28205 Bremen

Berlin, 07.02.2014

Betreff: Kündigung meiner Vollmitgliedschaft aufgrund der Wiesenhof-Vertrags-Verlängerung

Lieber Herr Fischer, lieber SV Werder Bremen,

ich liebe diesen Verein, den SV Werder Bremen. Aber seit zwei Jahren hat unsere Beziehung einen kleinen Knacks. Das liegt nicht primär am sportlichen. Natürlich macht Erfolg mehr Spaß als Abstiegskampf. Aber in guten wie in schlechten Zeiten werde ich hinter diesem Verein stehen und unsere Jungs anfeuern. Weil ich auch gar nicht anders kann, weil ich mich dazu habe hinreißen lassen und mir ein Leben ohne nicht mehr vorstellen kann.

Dennoch kennt mein Leben natürlich auch noch andere Themen als Werder Bremen. So bin ich sehr daran interessiert, alternative Wege zu gehen und zu schauen, wie man eine bessere Welt gestaltet könnte. Wie geht das? Wir leben im Kapitalismus, sind eines der reichsten Länder der Welt. Kann es ein richtiges Leben in dem falschen System geben, oder sollten wir uns alle einfach dem bedingungslosen Konsum hingeben? Ich habe mich für ersteres entschieden. Ich liebe Fleisch, aber ich esse keines – da ich die Fleischindustrie widerlich finde und damit nichts zu tun haben möchte. Ich finde Autofahren bequem, aber nehme Bus, Bahn, meine Füße oder mein Fahrrad wenn es geht. Ich gehe gerne Klamotten shoppen und achte zunehmend auf fair gehandelte und biologisch angebaute Baumwolle. Ich trinke gerne Bier, aber möchte Bier ohne Gelatine-Zusätze und aus einer Fabrik, die mit ihren Arbeitern gut umgeht. Ich möchte reisen und gleiche dann aber immerhin aus, indem ich in Klimaschutzprojekte investiere.

Ich möchte Fußball gucken und mit meiner Mannschaft Freude und Leid teilen ohne dass es mich bei allen Frontal-Einstellungen durchzuckt und ich denke „Ohje, Wiesenhof“. Es ist gar nicht so einfach, darüber hinweg zu sehen. Dann die Banderole „Für mehr Tierschutz“ – sagt die nicht schon unfassbar viel aus? Wie kann man ein Unternehmen haben, wo der Anspruch nur „mehr“ Tierschutz ist? Und das auch nur in einer Produktlinie. Widerlich!

Dem SV Werder Bremen geht es weniger gut als zu Championsleague-Zeiten, das weiß ich. Natürlich ist auch die Finanzlage nicht entspannt und die Verantwortlichen müssen gucken, wie Schulden, Gehälter, Investitionen, Ablösen etc. … getragen werden können. Und natürlich freuen die Fans sich, wenn tolle Neuverpflichtungen präsentiert werden etc. Ich auch. Allerdings nicht um jeden Preis. Ich würde Werder Bremen auch bis in die Regionalliga folgen, ich würde weiterhin auswärts fahren (als Berlinerin sehe ich eh recht wenig Heimspiele), weiterhin mit Stolz mein Werder-Tattoo tragen und alles. Wenn der Abstieg nur durch den Vertrag mit Wiesenhof verhindert werden kann, nehme ich ihn gerne in Kauf. Wiesenhof jedenfalls nehme ich nicht länger in Kauf. Man kann einen Fehler einmal machen, aber nicht direkt ein zweites Mal.

Bitte senden Sie mir die Kündigungsbestätigung meiner Mitgliedschaft zum nächstmöglichen Termin.

In gewisser Weise werde ich gewiss die Abbuchungen vermissen. Und sobald Werder einen Sponsor gefunden hat, der auch mit dem (tollen) Programm „Werder bewegt“ vereinbar ist (und nicht erst ein Punkt, nämlich „umweltbewusst“ gestrichen werden muss…), werde ich wieder Mitglied. Denn ich liebe diesen Verein.

Es grüßt, grün-weiß und mit Traurigkeit im Herzen

Anna Forssman, Mitgliedsnummer 1116266

werder_kündigung

5 Kommentare zu “Werder Bremen – ich liebe dich, aber ich hasse dich auch

  1. Same did I. Ich trat damals aus, wurde von Fischer, Filbry und co zum Gespräch eingeladen und blieb dann doch. Ich finde die Wiesenhofsache nach wie vor unsäglich und unvertretbar.

  2. Hallo Marcus,
    keine Moral ist auch nicht besser, oder? Deine Argumentation, dass, weil man nicht alles perfekt machen kann, am besten gar nichts macht, kennen wir zu Genüge. Aber wir sehen das anders: besser irgendwo anfangen als gar nichts machen. Jedes Huhn, das nicht gequält wird, jede Chrome-Brühe, die nicht in einem Fluss in Bangladesch landet, jeder Arbeiter, der sich nicht an Pestiziden vergiftet ist ein Schritt nach vorne. Und gerade bei Tierrechten ist es sehr leicht was zu tun, wenn man Bock hat.

    • Vielleicht hast du meinen Text etwas zu „scharf“ aufgenommen. Ich sage ja nirgendwo, dass man gar nix machen sollte, nur wenn, sollte man es schon halbwegs richtig machen bzw sich in seiner Linie treu bleiben.

      Es gibt einfach zu viele, ich nenn sie mal Gutmenschen, die in irgendeine Richtung extrem eingestellt sind und auf der anderen Seite schmeißen sie dann alles wieder über den Haufen. Da könnte man tausend Beispiele bringen aber ich denke du weißt schon was ich meine.

      Naja, auf jedenfall sollte das kein Angriff auf jemanden sein, falls du es ein wenig so empfunden hast.
      Also Love for all und schönes WE wünsch ich

      • Hallo Marcus,

        aber warum wirfst du, als jemand der Computer benutzt, jemandem vor, dass er Computer benutzt – und dann noch als Argument in einem Artikel in dem es um Tierrechte geht? Das check ich nicht. Nach dieser Logik muss jemand, der sich gegen Atomkraft engagiert auch Veganer sein und jemand der sich für Frauenrechte in Indien einsetzt darf keinen Mercedes fahren. Aber was hat das miteinander zu tun? Ich glaube sogar, dass es Möglichkeiten gibt, sich als Fleischesser für Tierschutz zu engagieren, und finde das hat gar nichts mit Doppelmoral zu tun, crazy wa? 🙂 Und zu deinen „Gutmenschen“ –> An Menschen, die Gutes tun wollen, kann ich übrigens erstmal nix schlechtes erkennen. Menschen die Schlechtes tun („Schlechtmenschen“) finde ich da anstrengender.

        Dir auch ein schönes Wochenende 🙂
        LG,
        Julia

  3. Hallo Anna, kann deine Kündigung absolut nachvollziehen. Ich selbst werde auch keine Produkte mit diesem Sponsor kaufen um dieses Sponsoring nicht zu unterstützen (So weh es mir für unseren Fastpleiteverein auch tut)!

    Ich hoffe nur, dass du als selbsternannter Öko dann auch keine elektronischen Geräte besitzt die unter miesen Arbeitsbedingungen von Kindern produziert wurden und in ein paar Jahren in Afrika landen?! Das wäre dann nämlich die typische Doppelmoral 😀

    Achja, schön geschriebener Text

    Liebe Grüße
    Marcus (Fleischesser :-))

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