Warten auf Wärme

Berthold ist Annas Onkel, lebt in Berlin und ist Fan von Green Friday. Da er einen Kleingarten hat, hat er auch Einiges zum Thema „green up your city“ aus einer anderen Perspektive zu erzählen. Und so hat er auch mal einen ersten Artikel für uns geschrieben. Hier der Live-Report aus Bertholds Schrebergarten:

Wer von uns freut sich nicht auf den nächsten Frühling? Oder gibt es etwa jemanden, der die ständig triefende Nase und die ewig kalten und nassen Füße noch nicht satt hat?
Aber ich habe noch etwas anderes, auf das ich mich seit dem Jahreswechsel wieder ganz besonders freue: die ersten Schneeglöckchen. Und zwar nicht irgendwelche, irgendwo in einem Park, sondern in meinem eigenen Kleingarten, eben dort wo ich die Zwiebeln seinerzeit selbst gesetzt habe und wo sie sich fleißig ausbreiten – und inzwischen längst auch anderswo und nicht unbedingt dort, wo ich damit gerechnet hätte.
2012-02-15-Schneeglöckchen
Kennt ihr außerdem Winterlinge? Nicht? Diese wunderbaren kleinen gelben Blumen, die ab Februar dichte Teppich bilden? Das machen sie rasant und überall, wo es ihnen gefällt und wo sie sich wohlfühlen. Sie ziehen sich dann später vollständig zurück, und kein Mensch würde das Beet ein paar Monate später wiedererkennen.

2012-02-17-Winterlinge

Genau das ist aber eine der reizvollen Eigenschaften an so einem eigenen Garten, natürlich nur eine von vielen, aber ganz bestimmt eine besonders wichtige. Am Anfang musste ich ständig um alle Beete herumstreichen, in denen ich etwas gesät oder gepflanzt hatte. Am liebsten hätte ich den Pflanzen die ganze Zeit beim Wachsen zugesehen, sie angefeuert und jeder am Abend noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Aber wo ich regelmäßig hinsah und am fleißigsten goss, passierte am wenigsten, und wo mein Blick zufällig gerade längere Zeit nicht geruht hatte, hatte es in der Zwischenzeit schwupp gemacht, und irgendetwas war auf einmal in die Höhe geschossen. Zwei kleine Stauden, von derselben Art und Größe, in der gleichen Gärtnerei besorgt und in zehn Zentimeter Abstand im gleichen Beet eingepflanzt – aber die eine konnte ich täglich mit der Machete zurückschneiden oder sogar mit Dynamit wegsprengen, und am nächsten Tag war sie erst recht doppelt so groß. Und die andere mickerte nur kläglich vor sich hin … Vielleicht hatte da vor einem Jahr mal irgendein Vogel hingekackt, oder sie fühlte sich an dieser Stelle aus sonstigen Gründen nicht wohl – da geht es den Pflanzen nicht unbedingt anders als den Menschen, wenn sie in eine neue Umgebung kommen.

2012-05-05-Liegestuhl

In meinem Garten kann ich die Natur zwar gestalten, und trotzdem ist sie am Ende stärker und tut was sie will – und lehrt mich eine Demut, die ich zwischen Spülmaschine, Zentralheizung und fließend Warmwasser manchmal vergesse.
Aber Spaß muss sein, und dazu gehört für mich auch, das anzubauen, was genau MIR gefällt und was es nicht ständig und überall zu kaufen gibt. Ich liebe Frankfurter Grüne Soße, aber wo bekomme ich zuverlässig Pimpinelle, Sauerampfer, Borretsch und Kerbel? In meinem Garten kann ich Kräuter anbauen, so viel ich will. Dazu Lavendel in solchen Massen, dass die Bienen nur so summen, es riecht wie in der Provence und ich Duftkissen füllen kann, die das ganze Jahr die Motten aus dem Kleiderschrank fernhalten. Und ganz zu schweigen natürlich von Beeren, Holunder und Bärlauch – an Marmelade, Saft und Pesto herrscht bei mir also kein Mangel, und nach Geschenken muss ich auch nicht lange suchen.
Es ist einfach klasse, dass diese Art, mit der Natur zu leben, auch in der Großstadt möglich ist! Und auf das alles freue ich mich jetzt, auch wenn es noch so gar nicht nach Frühjahr aussieht.

 

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